Oberlandesgericht München: Testierunfähigkeit von Demenzkranken

Das OLG München hat sich in einer kürzlich veröffentlichten Gerichtsentscheidung vom 14.08.07 (Aktenzeichen 31 Wx 16/07) sich zu Fragen der Testierunfähigkeit in Fällen von Altersdemenz geäußert. Wir zitieren auszugsweise aus dem Urteil des Münchener Oberlandesgerichts:

"Die Testierfähigkeit ist ein Unterfall der Geschäftsfähigkeit, gleichwohl aber unabhängig von ihr geregelt (vgl. BayObLG v. 28.5.1993 – 1Z BR 7/93, BayObLGReport 1993, 68 = FamRZ 1994, 593/594). Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildungen braucht nicht darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt oder von der Tragweite seiner letzten Anordnungen, insbesondere von ihrer Auswirkung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag, sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (st. Rspr.; vgl. BGH FamRZ 1958, 127/128; BayObLGZ 1962, 219/223 f.; 2004, 237/240 f.). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (BayObLGZ 1999, 205/210 f.). Es gibt auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz (vgl. BGH NJW 1989, 1878 und NJW 1992, 2100 jeweils zur Geschäftsfähigkeit; Staudinger/Baumann, BGB, Bearbeitungsstand 2003, § 2229 Rz. 10, 20; Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl., § 2229 Rz. 2; a.A. MünchKomm/BGB/Hagena, 4. Aufl., § 2229 Rz. 15).


Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde reicht es für die Testierfähigkeit deshalb nicht aus, dass der Testierende in der Lage ist, die eigenen Bezugspersonen zu erkennen und einfache Sachverhalte zu erfassen. Diese Einschätzung beruht auf der verfehlten Annahme der Rechtsbeschwerde, die Testierfähigkeit stelle eine Zwischenstufe zwischen dem „natürlichen Wil-len”, den auch ein Geschäftsunfähiger bilden und äußern kann, und der vollen Geschäftsfähigkeit dar. Diese Auffassung verkennt wesentliche Elemente der Testierfähigkeit. Der Testierende muss in der Lage sein, die für und gegen eine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe abzuwägen und sich aus eigener Überlegung, frei von Einflüssen Dritter, ein klares Urteil zu bilden. Es genügt nicht, dass er überhaupt einen Wunsch äußern oder eine Meinung artikulieren kann. Entscheidend ist vielmehr, dass der Testierende fähig ist, sich die Gründe für und wider seine Entscheidung zu vergegenwärtigen und sie gegeneinander abzuwägen, sich also selbständig und aus eigener Kraft ein Urteil zu bilden. Das setzt voraus, dass es ihm bei der Testamentserrichtung möglich ist, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die konkrete letztwillige Verfügung ihrem Inhalt nach besonders einfach oder schwierig ist. Verfehlt sind auch hypothetische Erwägungen darüber, ob der Erblasser eine inhaltlich gleichlautende Verfügung auch getroffen hätte, solange er testierfähig war. Zu Recht hat das LG deshalb auch den Vortrag der Beschwerde als nicht entscheidungserheblich angesehen, wonach der Erblasser bereits ab 1989 immer wieder den Wunsch geäußert habe, dem Beschwerdeführer das Haus zukommen zu lassen."

Wir führen laufend Gerichtsverfahren zu Fragen der Testierunfähigkeit bei Alzheimer- und Demenzpatienten und haben durch laufende Fortbildung - auch auf psychiatrischen Gebiet - das erforderliche Fachwissen zur Bearbeitung derartiger Mandate erworben.