Ob und wie lange muss man nach dem 3. Geburtstag des Kindes arbeiten?

 Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat ein weiteres Grundsatzurteil zum Betreuungsunterhalt wegen Kindesbetreuung veröffentlicht:

BGH Urteil vom 15. Juni 2011 XII ZR 94/09

a) Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein oder wesentlich auf das Alter des Kindes, etwa während der Kindergarten- und Grundschulzeit, abstellt, wird den ge-setzlichen Anforderungen nicht gerecht (im Anschluss an das Senatsurteil vom 30. März 2011 - XII ZR 3/09 - FamRZ 2011, 791).

b) Für die Betreuung des gemeinsamen Kindes ist grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verläss-lich anbietet. Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB ist auch im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurück-treten müssen <link http: juris.bundesgerichtshof.de cgi-bin rechtsprechung external-link-new-window einen externen link in einem neuen>(im Anschluss an das Senatsurteil vom 15. September 2010 - XII ZR 20/09 - FamRZ 2010, 1880).

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Im September 2010 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei der Frage einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das 3.- Lebensjahr hinaus stets zu prüfen ist, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Gerichte dürften nicht nur auf das jeweilige Alter der Kinder abstellen und ab einem bestimmten Lebensalter eine bestimmte Arbeitszeit des betreuenden Elternteils fordern. Grundsätzlich setzt mit dem 3. Geburtstag eine Erwerbsobliegenheit ein und für Zeit danach muss der betreuende Elternteil beweisen, dass er aus eltern- und kindbezogenen Gründen nicht oder nicht voll erwerbstätig sein kann. Ein abruptet Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit wird aber nicht gefordert.Das Gericht stützte sich dabei auf sein <link http: juris.bundesgerichtshof.de cgi-bin rechtsprechung external-link einen externen link im aktuellen>Urteil vom 17.06.2009

 

Nunmehr präzisiert der Bundesgerichtshof im Juni 2006 seine bisherige Rechtsprechung. Gerichtsurteile in denen an das frühere Altersphasenmodell angeknüpft und eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts allein oder überwiegend vom Kindesalter abhängig machten, sind diese rechtlich nicht haltbar, weil sie dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers widersprechen. Es kommt alleine auf "individuelle kindbezogene und individuelle elternbezogene Gründe" an, wobei kindbezogene Gründe vorrangig als Erstes zu prüfen sind.

Wenn das vierjährige Kind 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr einen Vollzeitkindergarten besucht und beide Eltern damit einverstanden sind, so steht dies einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht entgegen.

Zudem lag das Angebot des sich im Vorruhestand befindlichen Kindsvaters vor, die Kindsmutter bei der Betreuung des gemeinsamen Kindes zu unterstützen, was nach der Rechtsprechung der Kindsmutter den Einstieg in das Berufsleben angeblich erleichtern soll.

Pauschale Vorhaltungen eines Elternteils, wonach eine Ausweitung der Kindsbetreuung durch den anderen Elternteil für das Kind nicht gut seien, ändern daran nichts, solange es diesbezüglich keine konkreten Nachweise gibt.

"Die Berücksichtigung elternbezogener Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist Ausdruck der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten gewinnt bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehung gemeinsamer Kinder weiter an Bedeutung (§ 1570 Abs. 2 BGB)."

Mit anderen Worten meinen die Bundesrichter in Karlsruhe, dass  die gegenseitige Verantwortung geschiedener Ehegatten mit der Scheidung nicht endet und man die Rollenverteilung während der Ehe und die Dauer der Ehe berücksichtigen muss.