Wer erst den Pflichtteil erhält und dann behauptet Erbe zu sein ...

Bundesgerichtshof Beschluss vom 23. November 2012 - BLw 12/11 - OLG Köln AG Bergheim

Die nachfolgende, heute veröffentlichte Entscheidung ist für einen lanfwirtschaftlichen Betrieb in Nordrhein-Westfalen ergangen und dort gilt - anders als in Bayern die sog. Höfordnung. Trotzdem enthält die Entscheidung des höchsten deutschen Zivilgerichts in Karlsruhe in den beiden unten fett gedruckten Passagen wichtige Grundsätze, die auch für Erbfälle ohne landwirtschaftliche Betriebe gelten.

 

HöfeO § 8 Abs. 1 aF; BGB § 2100, § <link http: dejure.org gesetze bgb _blank dejure bgb: leistung nach treu und>242 D
a) Eine landwirtschaftliche Besitzung, die im Zeitpunkt des Eintritts des Vorerbfalls ein Hof im Sinne der Höfeordnung war, wird auch dann nach dem Sondererbrecht vererbt, wenn die Hofeigenschaft vor dem Eintritt des Nacherbfalls weggefallen ist.
b) Die Berufung des Hoferben auf sein Erbrecht stellt nicht schon dann eine missbräuchliche Rechtsausübung dar, wenn dieser zuvor irrtümlich (unter Einbeziehung des Werts des Hofes) den Pflichtteil verlangt und von dem Erben eine ent-sprechende Zahlung erhalten hat.
c) Sind alle Erbprätendenten bereits bei dem Vorerbfall davon ausgegangen, dass das allgemeine Erbrecht anzuwenden ist und haben sie sich auch entsprechend verhalten, ist dem Hofnacherben die Berufung auf das Sondererbrecht nach Treu und Glauben versagt, wenn eine früher landwirtschaftliche Besitzung jedenfalls bei Eintritt des Nacherbfalls auf Dauer ihre Hofeigenschaft verloren hat.
BGH, Beschluss vom 23. November 2012 - <link http: dejure.org dienste vernetzung _blank dejure blw>BLw 12/11 - OLG Köln AG Bergheim

 

Meine Erläuterung dazu:

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1971 existiert kein Testament, so dass der einzige Sohn und der Ehemann gesetzliche Erben zu je 1/2 wurden. Anders wäre dies gewesen, wenn in einem Ehevertrag eine Gütergemeinschaft vereinbart worden wäre.

 

Der Vater heiratet ein zweites Mal und errichtet mit der 2. Ehefrau ein gemeinsames Testament. Dort setzt man sich gegenseitig zu Erben ein. Der Sohn des Ehemannes aus 1. Ehe wurde damit für den Fall des Todes seines Vaters enterbt. Das Testament enthielt keine Regelung für den Sterbefall des anderen Ehegattens. Als der Vater im Jahr 1992 verstirbt fordert der Sohn seinen Pflichtteil, also die Hälfte des gesetzlichen Erbteils in Geld und erhielt einen Geldbetrag von rd. 350.000 DM ausbezahlt.

 

Später beruft er sich darauf, dass er (und sein Anwalt) sich in der Rechtslage getäuscht hätten und er nach der Höfeordnung in der damals geltenden Fassung Hoferbe geworden sei. Er hat damit vor dem Bundesgerichtshof einen Teilerfolg erzielt. Der Rechtsstreit muss von der Vorsinstanz, dem Oberlandesgericht Köln neu entschieden und dort geprüft werden, ob bei dem Ableben der Ehefrau im Jahr 1971 noch ein landwirtschaftlicher Betrieb bestand oder die Landwirtschaft aufgegeben wurde.