OLG München Testament eines Demenzkranken

Oberlandesgericht München Beschluss vom 01.07.2013 - Aktenzeichen: 31 Wx 266/12

Erfreulich deutlich hat sich der Erbrechtssenat des Oberlandesgericht München nunmehr zu einem häufigen Problem geäußert:

Die Erblasserin verstarb im Mai 2011 im Alter von 65 Jahren. Sie litt an der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Im August 2010 war sie in stationärer Krankenhausbehandlung. Von dort musste sie in ein Pflegeheim umziehen. Kurze Zeit später verstarb ihr Ehemann. Mit ihrem Sohn, dem einzigen Kind gab es offenbar Streit, so dass sich die Eheleute im August 2008 dazu entschieden, den Sohn zu enterben und eine caritative Organisation als Alleinerben einzusetzen. Man behielt sich aber vor, dass der Längerlebende Ehegatte das Testament noch abändern darf. Möglicherweise hoffte man auf eine Versöhnung mit dem Sohn bzw. der Streit bestand nur zwischen Vater und Sohn.

Kurz nach dem Ableben des Ehemannes suchte die Erblasserin einen Notar auf und setzt in einem notariellen Testament vom 14.9.2010 erneut ihren Sohn zum Alleinerben ein. Der Notar versah das mit zittriger Schrift unterschriebene Testament mit dem Zusatz "Trotz der zittrigen Unterschrift von Frau F. bestehen an ihrer Testierfähigkeit keine Zweifel".

Weitere Erklärungen dafür hielt er nicht fest und forderte auch nicht, dass vor einer Beurkundung des Testaments ein Attest eines Psychiaters über den geistigen Zustand, genauer die Testierfähigkeit vorgelegt wird.

Der Sohn stellte einen Erbscheinsantrag, wonach er testamentarischer Alleinerbe seiner Mutter geworden ist und begründete dies mit einem Demenztest im August 2010 bei dem 23 von 30 möglichen Punkten erreicht worden. Auch der Masseur habe sich normal mit der Erblasserin unterhalten können.

Achtung: Diese Argumentation ist gefährlich. Bei Demenztests werden die geistigen Fähigkeiten, insbesondere das Erinnerungsvermögen geprüft. In einem Demenztest kann nicht geprüft werden, ob sich jemand erfolgreich gegen die Beeinflussung durch Erbschleicher zur Werh setzen kann. Wer unter einer psychischen Erkrankung leidet und deswegen beeinflussbar ist, ist nicht testierfähig. Nur fällt das oft bei einem Demenztest nicht auf. Und es gelingt Demenzpatienten nicht selten, dass sie eine die Mitmenschen bei einem nicht in die Tiefe gehenden Gespräch blendende Fassade bewahren.

Wie ging es weiter? Das Nachlassgericht holte ein psychiatrisches Gutachten ein und der Gutachter hielt die Erblasserin für zweifelsfrei testierunfähig. Die eidesstattliche Versicherung eines bei der Beerdigung des Ehemannes anwesenden Zeugen und die Stellungnahme eines Internisten, einen wechselnden geistigen Zustand für wahrscheinlich hielt, halfen nichts. Ein Internist ist in der Regel nicht psychiatrisch ausgebildet. Ein von dem Sohn als Privatgutachter beauftragter Neurologe hielten ein lichtes Intervall bzw. Schwankungen zwischen Ausprägung einer emenz für möglich h

Der Sohn argumentierte, dass das Testament in genau so einem lichten Moment beurkundet worden ist. Damit setzte er sich aber vor Gericht nicht durch.

Zunächst definierte das Oberlandesgericht unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung ausd dem eigenen Haus den Begriff der Testierfähigkeit:

"Testierfähigkeit setzt somit voraus, dass der Testierende selbstbestimmt handeln und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen kann. Der Testierende muss nicht nur erfassen können, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen Verfügungen aufweisen. Er muss auch imstande sein, den Inhalt des Testaments von sich aus zu bestimmen und sich aus eigener Überlegung ein klares Urteil über die Tragweite seiner Anordnungen zu bilden. Das erfordert, dass er sich die für und gegen die Anordnungen sprechenden Gründe vergegenwärtigen und sie gegeneinander abwägen kann. Es muss ihm deshalb bei der Testamentserrichtung möglich sein, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen (vgl. OLG München FamRZ 2007, 2009/2011 m.w.N.; Palandt/Weidlich BGB 72. Aufl. 2013 § 2229 Rn. 2 m.w.N.).

Die Creutzfeldt-Jacob-Krankheit ist duch einen laufend sich verschlechternden, progredienten Verlauf gekennzeichnet, so dass es einen lichten Moment nicht geben kann.

Der gerichtliche Leitsatz lautete also:

"Liegt aufgrund einer chronisch-progredienten Demenz Testierunfähigkeit vor, ist ein "luzides Intervall" praktisch ausgeschlossen."

Der Erbscheinsantrag des Sohnes wurde zurückgewiesen. Die Erblasserin wurde von einer caritatien Vereinigung allein beerbt.

 (OLG München, Beschluss vom 01. Juli 2013 – 31 Wx 266/12 –, juris)